Manchmal, wenn die Morgen noch kalt und dunkel sind und wir erst auf die Weide dürfen, wenn schon der halbe Stall gemistet ist, denke ich an einen Morgen im letzten Sommer. An diesem Morgen war es auch noch dunkel, und eigentlich war es auch noch Nacht, als plötzlich das künstliche Stalllicht angeht, welches mich immer im ersten Moment grell blendet und mein Mensch mich aus meiner Box holt. Etwas benommen trotte ich hinter ihr her, da sehe ich, dass sie nicht alleine ist. Mein Freund Indi und sein Mensch sind auch da. Sie sehen alle noch etwas müde aus und ich frage mich, wessen Idee das war. Indi begrüsst mich auf seine sehr noble und zurückhaltende Art. Ich schätze das. Ich habe eine andere Hundefreundin, die kann sich jeweils grad knapp beherrschen, an mir hochzuspringen und das finde ich jeweils ein bisschen stressig. Die beiden Menschen scheinen etwas aufgeregt. Mein Mensch fängt an, mich zu putzen. Das kann sie ja machen, das mag ich eigentlich zu jeder Tages- und Nachtzeit. Dann holt sie aber Sattel und Zaumzeug und mir schwant, dass es jetzt wohl nichts mehr wird mit noch ein bisschen dösen und dann Frühstück auf der Weide.
Indi ist jetzt auch aufgeregt und will los. Da es nicht so aussieht, als wollten die drei auf meine Gesellschaft verzichten, gehe ich mit. Mein Mensch ist bequem wie häufig und setzt sich auf meinen Rücken. Indis Mensch ist da viel sportlicher und läuft neben Indi her. Ich glaube, Indi ist extrem mutig. Immer will er zuvorderst laufen. Er scheint dabei auch mächtig stolz, will dies aber immer wieder verbergen. Also schnüffelt er ein bisschen am Gras. Ich beneide ihn, wenn ich am Gras schnüffeln will, meint mein Mensch immer, ich wolle das Gras gleich fressen und hindert mich daran… Indi scheint mir trotz seiner offensichtlichen Blasenproblematik (er muss immer wieder an irgendetwas ranpinkeln) Führungsqualitäten zu haben. Das ist mir noch so recht und ich schreite neben seinem Menschen etwas hinter ihm her. Das ist auch für die beiden Menschen praktisch, die sehr viel zu besprechen haben, wie es scheint. Und das vor Sonnenaufgang! Wir wandern nach Aesch und stehen zum Sonnenaufgang etwas erhöht am Waldrand, so dass wir einen schönen Überblick über die Ebene gegen Reinach und Therwil haben. Ich mag sehr gerne den Überblick haben. Danach geht es auf einem schmalen Weg hoch in die Aescher Klus. Dort hat es schöne Schafe. Sie haben eine ähnliche Frisur wie Indi.
Und später sehr tolle Rinder, aber die darf ich nicht lange anschauen und muss gleich weiter. Es geht immer steiler aufwärts, der Weg wird immer schmaler und ich muss aufpassen, dass ich auf den rutschigen Steinen nicht ausrutsche. Aber ich bin ja eine extrem trittsichere Freibergerin, sagt mein Mensch immer. Also gebe ich mir Mühe. Schliesslich steigt mein Mensch ab und wir gehen alle zu Fuss hintereinander. Bevor der Weg überhaupt nicht mehr begehbar wird, kreuzen wir einen breiteren Weg, der uns zu einer Waldlichtung bringt. Mein Mensch entspannt sich sichtlich. Wir wandern weiter gegen Süden, bis wir ins nächste Tal hinuntersehen können. Einmal kommen uns zwei Menschen entgegen, die ersten an diesem Tag. Später machen die Menschen Picknick, Indi schnüffelt irgendwas und ich kriege ein paar Karotten. Später sitzt der Mensch von Indi auch noch eine Zeitlang auf meinen Rücken und mein Mensch führt mich. Indi ist ganz verwirrt, weil er den Menschen zwar hört und riecht, aber nicht mehr sieht. Mit der Zeit gewöhnt er sich daran und läuft wieder voraus. Mit einem grossen Bogen im Wald machen wir uns langsam wieder auf den Heimweg. Es wird auch Zeit, denn es ist schon richtig heiss. Zur Belohnung darf ich noch auf die Weide. Das war ein schöner Vormittag!
Welch wunderbare Begegnungen, welch tolles Miterleben von so viel menschlichem und tierischem Frieden, solch wohltuender Harmonie zwischen Mensch und Tier. Ich bedanke mich sehr herzlich bei der Besitzerin von Lili, dass sie mich daran teilhaben lässt, und ich hoffe sehr, dass ein etwas längeres Zusammensein von Lili und Indi mit ihren Menschen im kommenden Juni möglich werden kann.